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Die Wasserrahmenrichtlinie in der Umsetzungskrise

Kernthesen

Das große ökologische Transformationsprojekt der Wasserrahmenrichtlinie befindet sich in einer Umsetzungskrise, nicht nur, aber vor allem auch in Deutschland. Es ist längst absehbar, dass auch bis zum ultimativen Umsetzungstermin 2027 die Qualitätsziele zum ökologischen und chemischen Zustand in vielen Wasserkörpern nicht erreicht werden können. In Bezug auf den ökologischen Zustand wird z.B. für das FG Elbe eine Zielerreichung von nur 11% der Oberflächenwasserkörper prognostiziert, für das FG Rhein von 33% und für das FG Donau von 40%. In den Bewirtschaftungsplan-Entwürfen wird offen zugegeben („Transparenzansatz“), dass sich die Zielverfehlungen zu großen Teilen nicht auf die von der WRRL vorgesehenen Fristverlängerungs- und Zielabsenkungsmöglichkeiten stützen lassen, weil sie nicht auf „natürliche Gegebenheiten“ oder technische Unmöglichkeit zurückzuführen sind oder durch Aufwandsunverhältnismäßigkeit gerechtfertigt werden können. Es wird dargelegt, dass sich die Umsetzung in vieler Hinsicht als schwieriger und zeitaufwändiger erweise, als man bei Verabschiedung der Richtlinie angenommen habe, und dass die Richtlinie für die daraus resultierenden Umsetzungsverzögerungen „keinen belastbaren Lösungsansatz biete“.

Die großen Umsetzungsrückstände haben ihre Ursachen wesentlich auch in Versäumnissen der rechtlichen, planerischen, organisatorischen und finanziellen Umsetzung und keineswegs nur in den unterschätzten Schwierigkeiten der Aufgabe. Ein zentrales Umsetzungsversäumnis liegt schlechterdings darin, dass bis dato in hohem Maße auf eine freiwillige Meldung und Umsetzung von Maßnahmen der örtlichen Akteure gesetzt und auf rechtliche Handlungszwänge verzichtet wurde. Das bundesweit praktizierte „Freiwilligkeitsprinzip“ ist allerdings mit der WRRL und dem WHG nicht vereinbar und hat – wie zu erwarten war – auch nicht funktioniert. Versäumt wurde insbesondere, die Verpflichtung zur Maßnahmenplanung aus Art. 11 WRRL/§ 82 WHG durch örtliche Planungen umzusetzen, mit denen konkrete Umsetzungsmaßnahmen, Zeitpläne und Zuständigkeiten ver-bindlich festgelegt werden. Versäumt wurde auch, effektive Instrumente zur Akquise der zur Gewässerrenaturierung benötigten Flächen einzuführen bzw. einzusetzen. Überwiegend fehlen zudem eine tragfähige organisatorische und personelle Untersetzung und eine annähernd ausreichende Finanzierung der aufwändigen Renaturierungsaufgaben.

Wichtige Schritte aus der Umsetzungskrise wären vor diesem Hintergrund: bundesweite Einführung einer verpflichtenden Gewässerentwicklungsplanung auf regionalörtlicher Ebene; Einführung von „Gewässerentwicklungskorridoren“ als eine wasserrechtliche Festsetzungsmöglichkeit und Grundlage ggf. auch für eine konfiszierende Bodenakquise; regelhafte Übernahme der Kosten für ökologischen Gewässerausbau durch die Länder (bzw. den Bund bei Bundeswasserstraßen); Schaffung bzw. Einsetzung potenter Aufgabenträger für die ökologische Gewässerentwicklung z.B. durch Zusammenschluss von Unterhaltungsverbänden und/oder Gemeinden; Bereitstellung einer von EU–ELER-Mitteln unabhängigen Finanzierung aus den Landeshaushalten; Änderung der Wasserrahmenrichtlinie mit dem Ziel, Recht und Realität wieder so zusammenzuführen, dass sowohl das ökologische Anspruchsniveau als auch die Autorität der Richtlinie gewahrt werden.

Dr. Moritz Reese

Helmholtz Zentrum für Umweltforschung, Department für Umwelt- und Planungsrecht