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Die Wiesbadener Erklärung

Die Wiesbadener Erklärung ist das Abschlussdokument des 35. Deutschen Naturschutztages und wurde im Rahmen der “DNT Bühne live” am 2. Juni präsentiert und an Vertreter*innen der Politik gegeben.

Der Entwurf stand bis zum 15. Mai 2021 allen Teilnehmer*innen online zur Verfügung. Sie hatten erstmals die Möglichkeit, Ihre Wünsche, Ergänzungen und Änderungen zur Wiesbadener Erklärung digital einzureichen. Ein Redaktionsteam überprüfte die Einreichungen und entschied, welche Vorschläge in die Abschlusserklärung übernommen wurden.


Hauptforderungen der Wiesbadener Erklärung

  1. Die Biodiversitätskrise und Klimakrise gemeinsam und entschlossen meistern
  2. Die europäische Agrarpolitik konsequent für Natur- und Klimaschutz nutzen und ein neues Bündnis mit der Landwirtschaft schmieden
  3. Planungsbeschleunigung im Einklang mit Naturschutz- und Artenschutzforderungen ermöglichen

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DNT 2021 - WIESBADENER ERKLÄRUNG


Stadt, Land, Fluss - Welche Natur wollen wir?

Abschlusserklärung des 35. Deutschen Naturschutztages 2021 in Wiesbaden


26.05.2021

Hauptforderungen:

  1. Die Biodiversitätskrise und Klimakrise gemeinsam und entschlossen meistern

  2. Die europäische Agrarpolitik konsequent für Natur- und Klimaschutz nutzen und ein neues Bündnis mit der Landwirtschaft schmieden

  3. Planungsbeschleunigung im Einklang mit Naturschutz- und Artenschutzforderungen ermöglichen


Präambel

COVID-19 hat vieles geändert. Nicht zuletzt macht die Pandemie deutlich, welche weitreichenden Folgen die Zerstörung von noch weitgehend unberührten natürlichen Lebensräumen und der fahrlässige Umgang mit Wildtieren hat. Wir lernen neu, dass rechtzeitiges politisches Handeln sich stärker auf die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse stützen muss, gerade wenn es sich um exponentielle Wachstumstrends handelt. In einer Zeit großer Beschleunigungen müssen wir auch beschleunigt Antworten auf die vielfältigen komplexen Herausforderungen finden. Es stellt sich an vielen Stellen die Frage, welche Natur wir - eigentlich - (schützen) wollen.

Dabei erfordert auch die Bewältigung der beiden anderen großen Krisen, der Biodiversitäts- und der Klimakrise, eine besondere Kraftanstrengung in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Dies gelingt nur auf der Basis eines breiten gesellschaftlichen Konsenses über die Notwendigkeit neuer Bündnisse jenseits der alten Lager und durch gemeinsames Handeln. Auch der Naturschutz muss und will sich daran beteiligen.

Das Bundesverfassungsgericht hat im April 2021 in seinem Klimaurteil hervorgehoben, dass es eine einklagbare Handlungspflicht des Staates für die Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen und die Freiheitsrechte zukünftiger Generationen gibt. Das Grundgesetz gilt für Klimaschutz und die Erhaltung der Biodiversität gleichermaßen.

Vor diesem Hintergrund macht der 35. DNT mit seinem Motto „Stadt, Land, Fluss – Welche Natur wollen wir?“ ein Dialogangebot zu einem neuen Nachdenken über den Umgang mit der Natur. Wir verstehen Stadt und Land als Partner. Die Lebensbedingungen in Stadt und Land hängen existentiell voneinander ab, eine wechselseitige Beachtung und Wertschätzung ist unerlässlich. Für diesen Diskurs haben wir bewusst auch junge Menschen zur Mitgestaltung eingebunden.

Natur im ländlichen Raum sichert unser aller Lebensgrundlagen. Wir essen Naturprodukte, wir nutzen sie in unserem Alltag. Ein Großteil der Wirtschaftsleistung hängt von Ökosystemleistungen ab. Darüber hinaus fühlen sich viele Menschen in einer vielfältigen Naturlandschaft wohler. Die Erholung in der Natur trägt zur Gesundheit bei, die Schönheit der Tier- und Pflanzenwelt fasziniert und spiegelt sich auch in der Kunst wider. Deshalb wollen wir uns - zusammen mit Land- und Forstwirtschaft, Tourismus, den ländlichen Kommunen sowie vielen gesellschaftlichen Akteuren - für die Erhaltung und die Wiederherstellung vielfältiger, artenreicher Natur- und Kulturlandschaften einsetzen.

Die Attraktivität größerer Städte als Zentren von Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Innovation und Dienstleistungen wird absehbar anhalten. Sie bieten Lebensraum für viele Menschen, Absatzmärkte für hochwertige Produkte und Dienstleistungen aus den umgebenden Regionen. Aus den Städten kommen auch neue Qualitätsansprüche. Stadtgrün – die gestaltete Natur – gewinnt an Bedeutung für die Lebensqualität in Städten. Es ist aber auch klar, dass das Wachstum insbesondere der Schwarmstädte naturverträglich gesteuert und gestaltet werden
muss. In diesem Zusammenhang stehen auch die ländlichen Räume des Umlands vor großen Herausforderungen. Diese Impulse sollten genutzt werden, um ein neues Bündnis zwischen Stadt und Land zu schmieden.


1. Die Biodiversitätskrise und Klimakrise gemeinsam und entschlossen meistern

Die Wechselwirkungen von Klima- und Biodiversitätskrise sind vielfältig, eng und in unterschiedlichen Ausprägungen in Städten wie im ländlichen Raum spürbar. Beide haben zum Teil ähnliche Ursachen. Landnutzungsänderungen tragen nicht nur vielfach zur Freisetzung von Treibhausgasen bei, sondern zerstören ebenso oft wertvolle Ökosysteme. Beim Klimaschutz geht es nicht zuletzt auch um die Erhaltung der Biodiversität. So gibt es zahlreiche Synergien zwischen Klimaschutz, Klimaanpassungs- und Biodiversitätsmaßnahmen. Beispiele hierfür sind die Erhaltung und die Renaturierung von Mooren und Flussauen, die Pflege von extensivem Dauergrünland oder die Entwicklung naturnaher und damit klimastabiler Wälder. Gerade deshalb dürfen Klimaschutz und die Erhaltung der Biodiversität nicht gegeneinander ausgespielt werden, insbesondere dort nicht, wo es Zielkonflikte gibt. Diese sind konkret zu benennen und es muss konsequent an Lösungen gearbeitet werden. Naturbasierte Lösungen, die Klimaschutz, Klimaanpassung und Biodiversität gleichermaßen zugutekommen und der Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) dienen, leisten hier einen wertvollen Beitrag.

Effektiver Klimaschutz ist auch bei Ausschöpfung aller Potenziale der Energieeffizienz, die ernsthaft verfolgt werden müssen, nicht ohne den massiven Ausbau von erneuerbaren Energien, vor allem von Wind- und Sonnenenergie, denkbar. Dieser bildet die unverzichtbare Grundlage der treibhausgasneutralen Energieversorgung aller Sektoren – in der Stadt wie auf dem Land. Hierdurch sind stellenweise Flächennutzungskonflikte und Konflikte mit dem Naturschutz vorprogrammiert. Diese können gestaltet und ausbalanciert, vor allem aber durch eine erhebliche Senkung des Energiebedarfs minimiert werden. Wir bekennen uns daher zum Ziel, Treibhausgasneutralität schnellstmöglich, und zwar deutlich vor 2045, zu erreichen.

Der Grund für das Verfehlen der großen Biodiversitätsziele auf allen Ebenen ist vorrangig in einem nicht nachhaltigen Wachstumsmodell zu suchen. Dieses führt zu einer auf Ertragssteigerung ausgerichteten Landwirtschaftspolitik, einem wenig nachhaltigen Ernährungs- und Konsumverhalten und dem weiterhin zunehmenden Flächenverbrauch. Es leistet einem zu hohen Eintrag von Nähr- und Schadstoffen, den zunehmend negativen Auswirkungen des Klimawandels und der Zerschneidung und Übernutzung wertvoller natürlicher Lebensräume Vorschub. An diesen Hauptursachen muss die Wende ansetzen. Zur Erreichung der Biodiversitäts- und Klimaschutzziele müssen auch konsequente Schritte hin zu mehr Suffizienz gegangen werden.

Wir unterstützen die Schutzgebietsziele (je 30 % der Land- und Meerflächen) der EU-Biodiversitätsstrategie und die klaren Verminderungsziele der europäischen “Vom Hof auf den Teller“-Strategie für Nährstoffüberschüsse und Pestizide sowie das Ziel einer stärker pflanzenbasierten Ernährung.

Als Teilnehmende des 35. DNT fordern wir daher:

  • eine ambitionierte Weiterentwicklung der nationalen Biodiversitätsstrategie, die die Zielsetzungen europäischer und internationaler Rahmenwerke für den Schutz der biologischen Vielfalt in vollem Umfang aufgreift und eng mit dem Klimaschutz verknüpft;
  • darauf aufbauend ein mit hinreichenden Ressourcen ausgestattetes und ambitioniertes nationales Aktionsprogramm zur Umsetzung und Erreichung der Ziele der neuen nationalen Biodiversitätsstrategie, das im Sinne der UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen die Erhaltung und Wiederherstellung wertvoller Naturräume und Kulturlandschaften einschließlich einer Stärkung und Weiterentwicklung des nationalen Naturerbes aufgreift;
  • die Ausweisung möglichst konfliktarmer Vorranggebiete für den Ausbau der erneuerbaren Energien miteffektiven Artenhilfsprogrammen und einer Benennung prioritärer Gebietskulissen außerhalb von Windkraftvorranggebieten gerade für diejenigen Vogel- und Fledermausarten, die vom Ausbau der Windenergie besonders betroffen sind;
  • den Biotopverbund auch im Hinblick auf denSchwerpunkt der neuen EU-Anpassungsstrategie weiterzuentwickeln und naturbasierte Lösungen der Klimaanpassung auf einer breiten Basis zur Förderung der Klimaresilienz umzusetzen;
  • eine Klimaanpassung, die Aspekte der Biodiversität und naturbasierte Lösungen – sowohl in Städten als auch im ländlichen Raum - vorrangig und frühzeitig in Planungsprozessen berücksichtigt sowie eine Aufwertung und Weiterentwicklung der Landschaftsplanung und anderer Instrumente der Flächenplanung zur Gestaltung der unterschiedlichen Nutzungsansprüche beinhaltet;
  • die vorrangige Nutzung heimischer Baumarten zur Lösung der massiven Probleme unserer Wälder aufgrund der Klimakrise;
     
  • die vorbildlicheOptimierung der Pflege aller Liegenschaften im öffentlichen Eigentum in Bezug auf die Förderung der biologischen Vielfalt;
  • eine umfangreiche Ausweitung der Finanzierung für den Naturschutz und den Personalaufbau auf allen Ebenen, um notwendige Monitoring-, Pflege- und Wiederherstellungsmaßnahmen steuern, kommunizieren und umsetzen zu können.

Der Naturschutz braucht eine solide Haushaltsgrundlage!


2. Die europäische Agrarpolitik konsequent für Natur- und Klimaschutz nutzen
und ein neues Bündnis mit der Landwirtschaft schmieden

Der Zusammenhang zwischen dem Strukturwandel der Landwirtschaft und dem Verlust an Biodiversität gerade im Offenland und dort auch in den Böden ist offenkundig und wissenschaftlich gut und eindeutig belegt. Das Aus für viele landwirtschaftliche Betriebe, Bewirtschaftungsweisen und der Artenverlust sind letztlich auf eine verfehlte Agrarpolitik zurückzuführen. Diese verteilt das Gros der Agrar-Subventionen in Form der Direktzahlungen immer noch nahezu ausschließlich in Abhängigkeit von der jeweiligen Flächengröße, anstatt sie wirksam an Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft für den Natur-, Tier-, Boden-, Gewässer- und Klimaschutz zu binden.

In dieser Hinsicht sind die GAP-Beschlüsse der europäischen Institutionen enttäuschend. Sie sind eine klare politische Entscheidung für die Fortsetzung der bisherigen Fehlentwicklungen und stehen in einem deutlichen Widerspruch zu den Zielen der EU-Biodiversitätsstrategie als Teil des Green Deals. Umso wichtiger ist es, bei der Umsetzung in Deutschland alle existierenden Handlungsspielräume zu nutzen. Die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen und das Erwirtschaften von Gemeinwohlleistungen soll zum neuen Geschäftsfeld für Landwirte werden und dafür müssen natur- und klimaverträgliche Bewirtschaftungsformen besonders honoriert werden. Eine 1:1-Umsetzung, die sich nur am europäischen Mindestrahmen orientiert, darf es nicht geben! Deutschland muss sich politisch mehr für Natur- und Klimaschutz einsetzen, dazu mehr Geld zur Verfügung stellen und endlich eine zukunftsgerichtete, auf Integration statt Konkurrenz ausgerichtete Landwende in Angriff nehmen.

Für die nationale Umsetzung der europäischen Agrarpolitik fordern wir daher:

  • einen substanziellen Beitrag Deutschlands zur Erreichung der Ziele der FFH- und Vogelschutzrichtlinie, der Wasserrahmenrichtlinie und der Klimaschutzgesetzgebung;
  • klare und anspruchsvolle Regelungen, die flächendeckend insbesondere über die bisherigen schwachen Greening-Regeln hinausgehen; diese müssen über die sogenannten Standards zum guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen (GLÖZ) hinaus einen wesentlichen Anteil zur Bereitstellung nichtproduktiver Flächen und Elemente auf mindestens 10 % der landwirtschaftlichen Fläche eines Betriebes leisten;
  • Öko-Regelungen, die einen klaren Nutzen für Natur-, Tier-, Boden-, Gewässer- und Klimaschutz erbringen und für Landwirtinnen und Landwirte finanziell attraktiv und einkommenswirksam ausgestaltet sind. Von besonderer Relevanz sind Anreize für eine Flächenbewirtschaftung ohne Pestizid- und Düngemitteleinsatz, für eine echte extensive Weidewirtschaft, humusmehrende und bodenschonende Bewirtschaftung, sowie für Gewässerrandstreifen bzw. Entwicklungskorridore von mindestens 10 Meter beidseitig der Gewässer;
  • eine deutliche Erhöhung der von der 1. in die 2. Säule umgeschichteten Mittel durch Ausschöpfung des EU-rechtlich zulässigen maximalen Umschichtungssatzes insbesondere zum Ausbau naturschutzfachlich besonders hochwertiger Agrarumweltmaßnahmen; dies trägt auch zum Abbau des bestehenden Finanzdefizits zur Erfüllung EU-rechtlicher Schutzverpflichtungen bei.

3. Planungsbeschleunigung im Einklang mit Naturschutz- und
Artenschutzforderungen ermöglichen

Wachsende Metropolregionen, der zunehmende Bedarf an Wohnraum auch in kleineren Städten, der Ausbau der erneuerbaren Energien, die Mobilitätswende, die Digitalisierung oder die Umsetzung der Wasserstoffstrategie benötigen eine schnelle Runderneuerung unserer Infrastrukturen, in den Städten wie auf dem Land. Dies ist in vielen Fällen für den Naturschutz eine große Herausforderung und erfordert einen Paradigmenwechsel. Ohne neue Infrastrukturen wird die treibhausgasneutrale Gesellschaft aber nicht erreichbar sein. Aus diesen Gründen sind grundsätzliche Überlegungen zur Planungsbeschleunigung zu begrüßen. Allerdings ist der hohe Standard demokratischer Meinungsbildung, von Öffentlichkeitsbeteiligung und der damit verbundenen Fehlerkorrektur sowie der Mobilisierung von vielfältigen Wissensbeständen – gerade auch über Biodiversität – für eine gute Planung unerlässlich. Sie dient nicht zuletzt der Akzeptanz und der rechtlichen Absicherung von Planungen. Dieser Qualitätsstandard darf keinesfalls preisgegeben werden. Angesichts der vielen Fachplanungen und Flächenansprüche muss es aber auch gelingen, Schutzgebietsausweisungen und Flurneuordnungsverfahren im Kontext Naturschutz deutlich zu beschleunigen und die dafür nötigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

Mit Sorge betrachten wir Vorschläge, die den Naturschutz und teils auch den Gewässerschutz zum Sündenbock der Planungsbeschleunigungsdebatte machen. Selbst der strenge Artenschutz des EU-Rechts ist erwiesenermaßen hinreichend flexibel, um auch bei artenschutzrechtlichen Bedenken unverzichtbare Projekte zu ermöglichen.

Schnelle Planung benötigt klare und möglichst einheitliche untergesetzliche Fachstandards ebenso wie eine zügige politische Entscheidungsfindung. Die engere zeitliche Verzahnung von Planungs- und Finanzierungsinstrumenten und nicht zuletzt ausreichendes und qualifiziertes Personal zur schnellen Vorgangsbewältigung, sowohl bei den Antragstellern und Genehmigungsbehörden als auch insbesondere bei den stets beteiligten, aber oft sehr schlecht ausgestatteten Naturschutzbehörden sind weitere Voraussetzungen. Schnelle Planung setzt Vertrauen in die Verfahren und eine professionelle Einbindung der Betroffenen voraus.

Das rechtlich vorgeschriebene, etablierte und bewährte Programm der Umwelt- und Naturschutzinstrumente muss im Hinblick auf Konflikterkennung, Folgenbewältigung sowie das gegebene Arten- und Gebietsschutzniveau voll respektiert werden. Ein Abbau der Standards ist keine Lösung und würde nur zur Verschärfung der Biodiversitätskrise beitragen. Ebenso ist das Flächenverbrauchsziel der Nationalen Biodiversitätsstrategie und der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie konsequent im Blick zu behalten.

Für die Planung fordern wir daher:

  • eine sorgfältige Dokumentation derjenigen Faktoren, die tatsächlich zu langen Planungszeiträumen durch alle an den Planungen beteiligten Institutionen führen, und die Erarbeitung einer Strategie, diese deutlich zu verkürzen, statt voreilig den Artenschutz verantwortlich zu machen;
  • die konsequente Ermittlung der Auswirkungen von Vorhaben auf die Biodiversität, die Umsetzung und Einhaltung des europäischen Artenschutzrechtes und die weitere Standardisierung von Maßstäben und Verfahren für Gutachter, insbesondere bezogen auf die Identifizierung eines signifikanten Tötungsrisikos;
  • ein wirksames steuerpolitisches, ordnungsrechtliches und planerisches Maßnahmenbündel, um den Flächenverbrauch spätestens bis 2040 auf Netto-Null zu bringen;
  • eine bessere Personalausstattung in den Genehmigungsbehörden;
  • einen Stopp der Privilegierung der städtebaulichen Außenentwicklung, insbesondere durch den § 13b BauGB, der in Städten mit angespannten Wohnungslagen sein sozialpolitisches Ziel verfehlt und vielmehr zur Zersiedlung und zum Flächenverbrauch in ländlichen Gemeinden beiträgt.

Ausblick

Der Handlungsbedarf für die Erhaltung der biologischen Vielfalt ist auf allen politischen Ebenen groß. Die Tier- und Pflanzenwelt – an Land, im Boden, in Gewässern - und damit unsere Lebensgrundlage sind in ernster Gefahr. Das machen die vielen nationalen und internationalen Berichte überdeutlich. Sie zeigen die Folgen raumgreifender und ungesteuerter globaler Wachstumsprozesse auf, die natürliche Lebensräume zerstören. Dies betrifft städtische Agglomerationsräume ebenso wie die ländlichen Räume, Kulturlandschaften und auch die Meere. Hier müssen Biodiversitäts- und Klimaschutz Hand in Hand arbeiten – und dürfen sich nicht gegeneinander ausspielen lassen.

Die kommenden zehn Jahre müssen eine Dekade für die Erhaltung, die Sicherung und die Wiederherstellung der Biodiversität werden. Wir begrüßen die Ziele der neuen EU-Biodiversitäts- und Ernährungsstrategie und unterstützen die neue UN-Dekade 2021-2030 zur Wiederherstellung von Ökosystemen tatkräftig. Von der 15. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt Ende 2021 erwarten wir ein anspruchsvolles Rahmenwerk, das für eine ambitionierte Weiterentwicklung unserer nationalen Biodiversitätsstrategie und zukünftiger, konsequent umzusetzender Aktionspläne zu nutzen ist.

Bewusstsein und Besorgnis um unsere natürlichen Lebensgrundlagen haben in der Gesellschaft - gerade in der jungen Generation - in Stadt und Land, deutlich zugenommen. Das ist eine Chance für einen Aufbruch, der den seit Jahrzehnten vom Naturschutz geforderten Zielen auch klare Handlungsprioritäten von Seiten aller Politikfelder folgen lässt. Der Schutz der biologischen Vielfalt und des Klimas muss umgehend zur verbindlichen Richtschnur unseres Handelns werden.